Verglichen mit den benachbarten Wohntürmen von Long Island mutet die neue öffentliche Bücherei am Hunters Point geradezu winzig an. Dennoch: das lediglich sieben Geschosse hohe und ausgesprochen schmale Gebäude ist eine Landmarke geworden. Denn die strenge Grundform eines hohen Quaders lösen Einschnitte und organisch geformte, frei angeordnete Glasbereiche auf. Damit differenziert sich die öffentliche Bibliothek klar von den Rasterfassaden ihres Umfelds und signalisiert ihren besonderen Status. Noch verstärkt wird diese Wahrnehmung durch das silbrige Schimmern auf den Fassaden. Rund 30 Jahre hat es gedauert, bis aus der ersten Idee Realität wurde: Eine neue Bücherei für Long Island, die nicht nur als Wissensquelle, sondern auch als Treffpunkt dient. 2010 begannen die konkreten Planungen des New Yorker Büros Steven Holl Architects, 2015 startete die Bauphase, im September 2019 konnte das Highlight offiziell eröffnet werden. Direkt am East River liegend, wählte man den schlanken Grundriss auch, um die wichtige urbane Freifläche des umgebenden Parks soweit wie möglich zu erhalten. Auch konstruktiv unterscheidet sich die Bibliothek von seinen Nachbarn: Sie ist kein Skelettbau mit Vorhangfassade. Stattdessen übernimmt die Fassade auch die tragende Funktion. Das mag ungewöhnlich klingen, doch auf diese Weise bleibt das gesamte Innere frei von Stützen, eine Voraussetzung für das fluide Raumprogramm, auf dem das Konzept basiert. Unterschiedliche Etagenhöhen, Halbetagen, brückenartige Treppen, ein gestufter Lesesaal, ein Auditorium für 140 Menschen, digitale Zonen und ein Lese-Dachgarten ergeben ein hoch spannendes und inspirierendes Interieur. Verkleidungen aus Bambus veleihen den Räumen einen warmen Grundton, hinzu kommen sachliche und helle Graunuancen. Dank der großen, wie in eine Schale geschnittenen Fassadenöffnungen kommt viel natürliches Licht in das Innere – zugleich bieten sich atemberaubende Blicke auf die Skyline von Manhattan auf der anderen Seite des Flusses. Die Betonhülle des Gebäudes irritiert zunächst europäische Architekturgewohnheiten: sie folgt nicht dem Idealbild einer möglichst makellosen Sichtbeton-Optik, sondern ist bewusst „unsauber“ gehalten. So zeigt die Oberfläche der Fassade eine Topografie, die Formate und Strukturen der Schalungstafeln in ihrer Rohheit wiedergibt. Dem steht die ganzflächige Beschichtung der Fassade mit Concretal-W von Keimfarben gegenüber. Die einkomponentige, deckende Betonbeschichtung schützt langfristig vor Chloriden, Wasser und Abwitterung und basiert auf dem bewährten Sol-Silikatsystem. Der feine Silbereffekt sorgt für einen optischen Kontrast zum rohen Untergrund, erhält aber dank seiner matten Oberfläche den materiallen Charakter des Betons. Komplett mit Concretal-W bearbeitet, verändert sich das Gebäude mit dem Licht des Tages, der Jahreszeit; Reflektionen überlagern sich mit den Schatten der Fugen und verkippten Teilflächen zu einem lebendigen, wechselnden Gesamtbild. Wie geschaffen also für ein Gebäude, das offen für alle sein soll.
Architektur
Steven Holl Architects, New York, NY 10001, USA
www.stevenholl.com
Betonbeschichtung
Keim Concretal-W und KEIM Design-Lasur
Keimfarben GmbH, D-86420 Diedorf
www.keim.com